25.3.1948
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Wenn Du eine Ansicht der Natur gibst, und Du versteifst dieselbe zum starren Bild, zum Schema, so tauchen Dir, wenn Du mit diesem Schema bei der Natur bleibst, aus der Natur lauter Widersprüche auf, sodass es aussieht, als ob die gegebene Ansicht unrichtig sei. Du musst Dich diesen scheinbaren Widersprüchen gegenüber gleich einstellen, wie Du Dich einstellen, wie Du Dich einstelltest, bevor Du jene Ansicht hattest. Du musst Dich verhalten, dass wieder Ansichten entstehen können, und es wird sich zwischen diesen aus der Natur selbst hervortretenden Anschauungen kein Widersinn ergeben können, es wird sich nur das Bild der Natur vollständig vor Dich hinstellen. Wenn Du die Ansicht gibst, dass es Regionen sind, die sich im Tierreich abmalen, dass gewisse Tiere in solcher Art, andere wieder in anderer Art von einem
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geistigen Kosmos her gemalt werden, wo wirst Du bei starrer Auffassung solcher Regionen in unlösbare Widersprüche kommen. Warum. Sind erdhafte Vögel, wie Pfauen, Fasanen u.s.w. so stark und bunt gefärbt, wenn eigentliche Lufttiere wie die Raubvögel, z.B. der Steinadler, so gar nicht farbig leuchtend erscheinen? und wenn bei Vögeln die erdhaften so bunt sind, warum erstrahlen dann die eigentlichen Erdtiere, wie Kameele, Nashörner, Büffel u.s.w. nicht in allen Spektralfarben? Dies alles wickelt sich so durcheinander, wenn ein steifes Drahtschema eines Kosmos auf die Natur gehalten wird. Es fragt sich immer, was sich hereinprägt. Punkto Farben ist wichtig, dass man auf solche färbenden Regionen hinweist. Denn es haben die Leuchte- und Glanzfarben ebenso einen Ursprung, wie
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die äusserlichen Malvorgänge bei Chanaeleonen u. bei Flundern etc. Während bei diesen die Umgebung gemalt wird (die Haut ist ein Auge, dessen Farberleben sich organisch ausmalt, sich organisch festhält; „das Spiegelbild“ wird gleichsam fixiert) die äussere Umgebung gemalt wird (auch bei Schneetieren) wird bei jenen leuchtenden, glänzenden Tieren auch etwas reales abgemalt. es ist aber nicht die äussere Umgebungsregion, die gemalt wird, es sind andere geistige, seelische Regionen, die hier einstrahlen, die hier malend werden, gemalt werden. Es ist nur sinnlos im einen Fall die Farbe in einem Weltzusammenhang zu sehen (wie bei dem sogenannten?) und im andern Fall die Farbe in einem Nichts existieren vorzustellen. Aber es wirken nun nicht nur Farbimpulse
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in der Bildung der Geschöpfe. So ist der Adler ein völliges Lufttier; sein Gefieder eine Lufthülle, es umschliesst einen Luftleib. Dies ist von einem Fasan nicht zu sagen; darum ist er verglichen mit dem Adler ein erdhafter Vogel. Jedoch ist er verglichen mit einem Kameel, einem Büffel oder Nashorn, eben durchaus ein Vogel: da hat er ein Gefieder. Dieses nicht mehr ganz von Luftbedingungen erfasste Gefieder, nicht mehr ganz zu einem Luftleib geformt, zeigt nun ein Wachstum (ein Wuchern) ein starkes Ausbreiten, ein mächtiges Entfalten: auf diesen Federbäumen, Federzweigen und Ästen etc. malt sich nun etwas ab, was im Vogelbereich wirkt. Alle Vogelarten zusammen ergeben erst den ganzen
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Vogel. Was Vogel ist, steht erst vor Dir, wenn Du alle Vögel, alle Arten vor Dir hast. So malt sich bei Fasanen, Pfauen, bei Papageien, bei Kolibris etwas ab als wirkliches Farbkleid, was sich beim Adler nicht als Farbe hineinmalt. So wie die Atmosphäre nur leuchtet, ohne die Farbe zu fixieren, so ist der Adler als reiner Atmosphärenvogeln nur glänzend; sein Gefieder glänzt am Licht. XX
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Was die „eigentliche“ Farbe des Steinadlers angeht, so hängt sie mit verschiedenem zusammen. Der Steinadler ist verglichen mit Papageien, Kolibris, ein starkes Eigentier; er ist eine Grundgestalt, kein Spezialist, kein hinausdifferenziertes Geschöpf, gleichsam ein dünner Einzelstrahl in der Vogel Welt, er ist ein eigentlicher Vogel, eine Zentrale Gestalt im Luftreich. So wirkt auch seine Eigentierheit, seine Gier, seine Leidenschaft stärker. So ist er auch in Bezug auf seine Umgebung abgestorbener, herausgestorbener, toter, als andere Vögel, wie etwa Papageien, die gleichsam – verglichen mit dem Adler – ein guter Malgrund, ein weicher Malgrund sind.
Während im Blütenreich, im Baumreich sich ganz andere Bedingungen u. Zustände finden. Hier malt sich der Region entsprechend am Vogel etwas ab. Was in den tropischen Wäldern leuchtet und glüht, was im tropischen Blütenbereich lichtet und leuchtet, das malt sich im Gefieder ab; das malt auch an den Schmetterlingen
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und den andern Insekten aber das alles ist nuanciert und gestuft man vergleiche die Farben der Kolibri mit denen der Papageien und dieser wieder mit den Farben der Fasane. Und fasse das jeweils typische ins Auge, so tritt eine Nuancierung auf. Die Funkelfarben der Kolibri; die Malfarben der Papageien und die Prunkglanze der Fasanen. Entfällt aber der Vogel noch mehr dem Vogelhaften, so fehlen auch noch Gefieder schaffende Kräfte. Es entsteht kein eigentliches Gefieder mehr; die Federschaffende Kraft erfasst die Hautkeime nicht mehr; die Federn werden haarig, aufgeplustert; die Farbe schwindet. siehe Strausse, Kiwi; die Farbe wirkt noch, aber nicht mehr ins Gefieder, dieses wird unleuchtend, unbunt, unglänzend. siehe Kasuare.
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Bei den Erdtieren (Pferd, Kameel, Büffel, Rinder) wirkt eine ganz andere Organisation mit, in sie ist eine ganz andere Organisation aufgenommen, so dass die Regionen, die bei Vögeln, Fischen und Insekten malen, keinen Malgrund haben.