Anfang des 20. Jahrhunderts, also gut 100 Jahre nach Chladni, beginnt Margaret Watts-Hughes mit der menschlichen Stimme zu experimentieren. Sie baut das dafür eigens von ihr konzipierte Eidophon, ein krugähnliches Gefäß, in das man hineinsingen kann. Durch eine Membran, die oben horizontal eingespannt ist, kann der Ton aufgenommen werden. Auf dieser Membran liegt eine Substanz, z.B. Lykopodiumpulver, gemahlener Reis oder Quarzsand. Margaret Watts-Hughes brachte Substanzen auf, und nahm dann die entstandenen Bilder durch Papier ab. Es entstanden Landschaften, Pflanzen, Bäume.

 

Sie lässt die Forschungsergebnisse 1904 in dem Buch ‘The Eidophone Voice Figures: Geometrical & Natural Forms produced by Vibrations of the Human Voice’ erscheinen.

Hans Jenny benennt das im Prinzip selbe Instrument mit dem Namen „Tonoskop“. Das Wesentliche ist, dass bei diesem Experiment ohne ein elektroakustisches Zwischenglied gearbeitet werden kann. Es kann aber auch das natürliche mit dem elektroakustisch unterstützten Experiment verglichen werden, also derselbe Ton von demselben Menschen, nur gesungen und dann verstärkt durch einen Lautsprecher unterhalb des Tonoskopes. 

 


 

 

„Es liegt nahe, den Versuch zu machen, die Einwirkungen der menschlichen Stimme auf verschiedene Materialien in verschiedenen Medien zu beobachten. Um diese Schwingungsformen sichtbar zu machen, wurde ein einfacher Apparat, das Tonoskop, entwickelt, in den unmittelbar ohne elektroakustisches Zwischenglied gesprochen werden kann. Dabei wird eine Membran in Oszillation versetzt, auf die als Indikator Sand oder ein Pulver oder eine Flüssigkeit gebracht wird. Tatsächlich erscheinen beim Sprechen auf dieser Membran Figuren, welche dem Klangspektrum etwa eines Vokals entsprechen. … Es charakterisiert sich nicht nur der Laut, sondern auch die Tonhöhe, in der gesprochen oder gesungen wird. Das indizierende Material sowie die Beschaffenheit der Membran spielen natürlich eine Rolle. Jedoch ist die Figur unter gleichen Bedingungen der Versuchsanordnung eine genau bestimmte. Man kann eine Melodie singen und eben diese Melodie nicht nur hören, sondern auch sehen. Wie die Aufnahmen zeigen, sind für das Auge wirkliche Gebilde sichtbar, es sind Gestalten. Dadurch wird das Auge in seiner umfassenden Bildung, die sogar, solange der Ton gesprochen wird, sich lebendig verhält. Sie bewegt sich schon durch den Atem; durch das Schwanken der Stimme entsteht ein Formenweben. Dann erlebt das Auge Variationen durch das Senken und Heben der Stimme. Im Verlauf des Sprechens metamorphosieren sich die Gestalten unentwegt. Diese Bemerkungen wurden gemacht, um anzudeuten, dass durch das Figurale, durch das Bildlich Gestalthafte ein Erlebnis ausgelöst wird, das visuell dem auralen Erlebnis voll und ganz zur Seite treten kann. Damit wird etwas erreicht, was nicht nur dem Normalhörenden eine neue Welt eröffnet, indem er erlebt, dass sein Sprechen ein Gestalten, ein wirkliches Hervorbringen von schwingenden Bildungen  ist, die fortwährend den Raum durchdringen und erfüllen, sondern was vor allem dem Nichthörenden ein Erlebnis gibt, das ihm vermittelt, was er bei seinem gelernten und angeschulten Sprechen eigentlich hervorbringt. Er hört den Laut, den er kreiert, nicht; er sieht wohl die Sprechbewegungen der anderen. Aber ein Sinneserlebnis, das dem Hören eines Tons, eines Vokals, eines Wortes entspricht, hat er nicht. Ein wirklich Figurales spricht aber auch eine Sprache, ein Bild ist ein voll tragendes Wahrnehmungserlebnis. Die Erfahrung hat nun gezeigt, dass für Taubstumme diese Tonoskopbilder außerordentlich anregende Erlebnisse sind. Spricht zum Beispiel ein Taubstummer ein O, so ist im Tonoskop auch das Geraäuschhäfte, das die Sprach der Taubstummen haben kann, natürlich in dem Schwingungsbild auch darin. Nun sieht er das O, das ein gewöhnlich Sprechender spricht. Die beiden Bilder unterscheiden sich eklatant. Nun hat er aber die Möglichkeit, sich zu der Form eines reineren O durchzuüben. Er erlebt alles bildhaft, was er macht. Im Moment, wo er die Form des reineren O erzeugen kann, hören wir, dass er auch ein reineres O spricht. dasselbe gilt von der Tonhöhe. Auch da kann er sich zu Nuancen des Sprechens durchschulen, die er akustisch nicht perzipieren kann. Auch was den Sprachstrom, das Impulsieren des Luftstroms, den Atemstrom usw. betrifft, hat er jetzt kongruente Erlebnisse. Das Hin-und-her-Bewegen seiner Laute, seiner Worte und Sätze kann er sehen; aber ebenso das Hinströmende eines guten Sprechens. Da die Taubstummen in ihren Augen (wie ja auch in ihrem Tastsinn) mit größter Aufmerksamkeit präsent sind, können sie in diesem optischen Sprachwesen des Tonoskops sich betätigen  und schulen“. (Hans Jenny, Kymatik, Wellenphänomene und ihre Schwingungen, AT-Verlag, 2009, S. 59/60)

Es bedarf der Zeit, um sehend hören zu können. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig. 

 

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