(6.5.2017, Samstag)
Seit heute sammeln sich bei uns ein paar Vögel, denn wir singen, das hat sich wohl rumgesprochen. Bei allen Fahrten um und in Peking habe ich nicht einen Vogel gesehen oder gehört (auch die Spatzen ließ Mao töten und wahrscheinlich konnten in den fünfziger Jahren die Menschen nicht zwischen den Vogelarten differenzieren, oder sie wollten es nicht). Übrigens war gestern der erste Sandsturm. Es hatte sich eine fein-braune Atmosphäre über Beijing gelegt und der starke Wind blies alles weg, wohltuend. Man muss nur zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein. Seit der letzten China-Reise 2009 hat sich sehr viel getan in China. Der Lebensstand ist erstaunlich gestiegen. Viele haben ein Auto, davon sind auf der Straße ca. ein Drittel deutsche Autos (VW, BMW, Mercedes, Audi), Toyota, Hyundai, Honda und einige chinesische Marken, die es nur in China gibt. Dabei sind die Autos nicht kleiner als bei uns. Am ersten Tag haben wir schon in den ersten Stunden drei Mercedes-Maybach gesehen. Audis sind Standard. Im Verhältnis zu Europa und den USA ist der Verkehr ganz anders geregelt. Fast immer gibt es neben den mindestens vierspurigen (oft sechs und achtspurigen) Straßen eine Begleitstraße, auf der Fußgänger, Fahrradfahrer, kleinere und kleinste Fahrzeuge, die es so bei uns nicht gibt, nebeneinander gut harmonieren. Dabei sieht man Fahrräder wenig, auch wenn es überall Leihfahrräder gibt. Das Tempo auf der Begleitstraße ist zwischen 5 und 15km/h. Durch sie und die überall gepflanzten Bäume und Rosen entsteht eine menschliche Atmosphäre.
An das Autofahren muss man sich als Europäer gewöhnen. Da öfter auch die Kleinstfahrzeuge auf den großen Straßen fahren, kommt es zu sehr lebendigen Bewegungen, links und rechts herum, was aber keinen aufregt und die innere Beweglichkeit erhöht. Es wird auch seelenruhig abgebogen, wenn die Autos auf der Gegenfahrbahn heranrasen, und es passt auf Zentimeter immer. Wir fahren sehr viel Taxi, manchmal mit Yaping, aber ich habe bisher keinen einzigen Unfall gesehen. Der Verkehr ist dabei flüssig, das Hineindrängen kann man so eigentlich nicht beschreiben. Es kann als ein Tasten und Fühlen der Stärke des andern erlebt werden. Die Werte sind also anders und es wirkt das Geschehen wenig oder gar nicht aggressiv.
Wir hätten ja auch in einem europäischen Hotel absteigen können mit entsprechendem Standard, entschieden uns aber ganz für den Distrikt Tongzhou, in dem nach Yaping 10.000 Künstler wohnen, auch berühmte.
In jeder Straße dieses in 12 Unterdistrikte unterteilten Stadtteiles werden parallel mehrere Häuser gebaut. Immer aus Tonziegeln, Stein für Stein, so wie wir es aus Norddeutschland mit den Klinkerbauten kennen. Dabei wird Tag und Nacht gearbeitet. Die LKW’s rollen nachts, um Stoffe heranzubringen. Überhaupt dürfen die LKW’s nur nachts fahren. Auch die Müllabfuhr; es hat den Vorteil, dass der Verkehr bei den Massen noch einigermaßen flüssig ist. Ein Richtfest wird hier mit Chinaböllern begangen. An jedem Tag hört man 2-5 solcher Richtfeste. Die Kaufhäuser in der Innenstadt sind fast identisch mit unseren.
Heute probieren wir ein zweites Mal, einen Stoffmarkt zu finden. Aber alle früheren Stoffmärkte sind zu Gunsten der neuen Warenhäuser gewichen. Dies ist in den letzten Jahren geschehen. Und man sieht, dass in 2-5 Jahren ganze Stadtteile Klinkerbauten haben werden. Diese Aufbauarbeit ist nicht weniger intensiv als zur Wende in Ostdeutschland. Krane, LKW’s am laufenden Band, unzählige Arbeiter.
Die Post bringt fast täglich Pakete zu Yaping. Auch hier wird der Handel über das Internet größer. Sie bestellt fast alles per Internet und in 2 Tagen ist es da.